Deutschland. Aus Dunkelfeldstudien ist bekannt, dass jede*r siebte Erwachsene in der Kindheit und Jugend sexualisierte Gewalt erlebt hat. Was es aber für Betroffene bedeutet, im Erwachsenenalter selbst Kinder zu haben und elterliche Verantwortung zu tragen, ist bisher kaum bekannt. Ein Forschungsprojekt, gefördert von der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, hat dies untersucht. Über 600 Betroffene nahmen an der Studie teil. Sie kann kostenfrei eingesehen werden.
Das Projekt wurde durchgeführt unter Leitung von Prof. Dr. Barbara Kavemann, Soziologin am Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut zu Geschlechterfragen (SoFFI F. im SOCLES) und Mitglied der Kommission.
Folgenden Fragen wurde nachgegangen: Wie denken Menschen, die in der Kindheit sexualisierte Gewalt erfahren haben, über eigene Kinder nach? Aus welchen Gründen antscheiden sie sich aktiv für oder gegen eigene Kinder? Welche Ängste und Sorgen haben sie und welche Rolle spielt ihre eigene Betroffenheit dabei? Welche Art von Unterstützung brauchen sie?
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes zeigen, dass viele der Befragten sich kritisch damit auseinandersetzen, ob sie in der Lage sein werden, ihre Kinder zu schützen sowie gut zu versorgen und was die Voraussetzung dafür ist. Die meisten der Befragten haben sich für eigene Kinder entschieden. Sie stehen vor Herausforderungen, die eng mit der spezifischen Gewalterfahrung einhergehen. Beispielsweise die Entscheidung, mit dem eigenen Kind über die erlebte sexualisierte Gewalt zu sprechen. Oder wie sie, die als Kinder selbst nicht geschützt wurden, ihre eigenen Kinder vor sexualisierter Gewalt schützen und dabei die Angst vor dem eigenen Versagen bewältigen können.
Aus den Ergebnissen des Forschungsprojektes wurden Empfehlungen für die Politik und das Unterstützungssystem erarbeitet, wie Betroffene von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend bei ihrer Familienplanung, bei der Versorgung in der Schwangerschaft und bei der Geburt sowie im Alltag als Eltern besser unterstützt werden können. Dafür braucht es nicht grundsätzlich neue Angebote. Stattdessen müssen die bereits bestehenden Angebote das Thema Eltern, die von sexueller Gewalt in der Kindheit und Jugend betroffenen sind, aufgreifen. Es braucht beispielsweise entsprechende Informationsangebote im Rahmen von Elternkursen, Familienberatung und Familienbildung. Diese Informationen sind aber auch für Fachkräfte in der Sozialen Arbeit und Pädagogik wichtig und müssen in Aus- und Fortbildung vermittelt werden. Erziehungs- und Familienberatungsstellen müssen betroffene Eltern genauso mitdenken, wie auf sexuelle Gewalt spezialisierte Fachberatungsstellen das Thema Elternschaft. Zusätzlich ist es wichtig, den Austausch und die Vernetzung von betroffenen Eltern, wie etwa durch Selbsthilfegruppen und -initiativen, zu fördern.
Die Studie kann kostenfrei hier heruntergeladen werden.
Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung
sexuellen Kindesmissbrauchs
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